Europa steht vor einer
der größten Herausforderungen seit dem 2. Weltkrieg. Die Krise in
der Ukraine, das Problem Griechenland, die wachsende Verschuldung und
zunehmende Arbeitslosigkeit stellen ungelöste Probleme dar. Diese
werden durch Migrationsströme noch verstärkt, sodass die von vielen
Beobachtern bereits aufgezeigte Gefahr besteht, dass Europa unter dem
Zusammenbruch der Sozialsysteme in ein unkontrollierbares Chaos
versinkt. Rasches Handeln zur
Sicherung der Grenzen ist erforderlich, der Rechtsrahmen für die
Zukunft ist neu zu gestalten, die bisher widersprüchlichen und
unzureichenden Rechtsvorschriften sind den realen Gegebenheiten
anzupassen.
Der Wiener Akademiker
Kreis ruft daher die Regierungen in Europa, die Europäische Union,
die Vereinten Nationen sowie alle mit Migration befassten
Organisationen auf, dringend Maßnahmen zur Prävention und Abwehr
irreversibler Schäden zu setzen.
- SITUATIONSANALYSE
1. Die
Migrationswelle aus Afrika und Asien hat ihren Höhepunkt noch lange
nicht erreicht. Gunnar Heinsohn, Professor für Militärdemographie
am NATO Defense College rechnet bis 2050 mit 950 Millionen Migranten
allein aus Afrika und dem Nahen Osten.
2. Die Migranten
werden zu 90% von Schlepperorganisationen über Tausende von
Kilometern nach Europa gelotst, wobei bis zu 17 Staaten durchquert
werden. Der Vertreter Großbritanniens sprach bei einer Sitzung der
Agentur Frontex von 3.000 Schlepperorganisationen mit 29.000
Helfern.
3. Die Tragödien im
Mittelmeer mit Tausenden von Toten haben die Europäische Union zwar
aufgeweckt, effiziente Maßnahmen sind jedoch ausgeblieben. Die
Schlepperorganisationen sind von der Mittelmeerroute auf die
Landroute via Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn
ausgewichen. Seit Jänner 2015 haben bereits 80.000 Migranten
die Grenze nach Ungarn überschritten. Ungarn steht an erster
Stelle, sowohl was die Anzahl der Migranten, als auch die Belastung
pro Einwohnerzahl anbelangt. Auch die Errichtung von Zäunen wie in
Griechenland, Bulgarien, Frankreich und jetzt auch in Ungarn, kann
das Problem nicht lösen.
4. In den Randstaaten
werden die Migranten nicht registriert, auch in Deutschland erscheint
eine Registrierung nicht mehr möglich. Die Migration wird daher auch
zu einem gefährlichen Sicherheitsproblem. Es gibt bereits
deutliche Hinweise darauf, dass gewaltbereite Angehörige der IS nach
Europa eingeschleust werden, mit dem deklarierten Ziel der Errichtung
von Islamischen Kalifaten auch in Europa.
5. Die Europäische
Union hat bisher versagt. Die Dublin III - Verordnung ist
nicht nur ungerecht, weil ausschließlich Randstaaten belastet
werden, sondern auch rechtsirrig, weil sie keine Unterscheidung
zwischen Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten trifft. Die
Gleichstellung von Flüchtlingsschutz und Internationalem Schutz ist
ein politischer und rechtlicher Fehler.
6. Die
Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG ist nicht effizient und wird
nicht angewendet, ebenso ist die für den Grenzschutz zuständige
Agentur Frontex zahnlos und ungeeignet.
Auch der
10-Punkte-Beschluss der Europäischen Kommission, welcher die
Zerstörung der Schlepperboote von Libyen nach Europa zum Ziel hat,
löst das Problem nicht, und schon gar nicht die ins Auge gefasste
Aufteilung der Migranten - und zwar weder auf Grund einer
verpflichtenden Quote noch auf freiwilliger Basis.
Die
Einwanderungslawine von Wirtschaftsflüchtlingen ist nicht
aufzuteilen, sondern zu stoppen. Einwanderung darf man nicht
aufdrängen. Die bisherige Auffassung, dass die Migration unter allen
Umständen und für alle in Europa eine Bereicherung sei, hat der
Realität zu weichen.
7. Die nicht mehr
adäquate Genfer Flüchtlingskonvention aus dem Jahre 1951 ist durch
eine Konvention zu ersetzen, welche den neuen Bedrohungen und der
geänderten weltpolitischen Lage gerecht wird.
- DERZEITIGE RECHTSLAGE
Rechtlich sind 3
Kategorien von Migranten zu unterscheiden.
- Flüchtlinge nach der Genfer Konvention über die Rechtsstellung der
Flüchtlinge
Hierzu gehört auf Grund
der Definition in der Konvention eine Person, welche sich „aus
wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion,
Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb ihres
Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf
diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu
bedienen.“
Krieg, Bürgerkrieg,
sonstige kriegerische Handlungen, bewaffnete Konflikte,
Stammesfehden, sind keine asylrelevanten Fluchtgründe. Die
Flüchtlingseigenschaft nach der Genfer Konvention und damit ein
dauerndes Bleiberecht kommt daher nur einem geringen Prozentsatz der
Migranten zu.
-Wiener
Memorandum 2015 Seite 3-
- Personen, die Anspruch auf subsidiären Schutz haben
Hiezu gehören Personen,
denen kein Asylstatus zusteht, die aber nicht zurückgeschickt werden
können, weil sie in ihrem Heimatland von kriegerischen Angriffen,
der Todesstrafe oder menschenunwürdiger Behandlung bedroht sind.
Die Europäische Union
hat in der Statusrichtlinie 2004/83/EG des Rates vom
29.4.2004, geändert durch die Richtlinie 2011/95/EU des
Europäischen Parlaments und Rates vom 13.12.2011 den
Begriff des Flüchtlings gemäß der Genfer Konvention ergänzt
und den Begriff des Internationalen Schutzes eingeführt. Dieser
umfasst auch einen subsidiären Schutz für Personen, die zwar
kein Recht auf Asyl haben, aber trotzdem nicht in ihr Heimatland
zurückgeschickt werden können, weil ihnen dort ernsthafter
Schaden droht.
Als ernsthafter Schaden
gemäß Artikel 15 der Richtlinie gilt:
a Die
Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe
b Folter oder
unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung
c Eine
ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit
einer
Zivilperson infolge
willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder
innerstaatlichen
bewaffneten Konfliktes.
Gleichzeitig wurden die
in der Genfer Konvention taxativ aufgezählten Verfolgungsgründe
interpretiert und erweitert. Insbesondere sind auch
geschlechtsbezogene Aspekte, ein-schließlich der geschlechtlichen
Identität zu berücksichtigen. Die bloße politische Meinung ist
asylrelevant, auch dann wenn keinerlei Tätigkeit auf Grund dieser
Meinung entfaltet wurde.
Die Europäische Union
hat somit auf dem Umweg über eine Richtlinie die Genfer Konvention
ausgedehnt, wobei dieser erweiterte internationale Schutz nur
für Mitglieder der Europäischen Union – mit Ausnahme von
Großbritannien, Irland und Dänemark - gilt.
- Wirtschaftsflüchtlinge
Die größte Gruppe
(ca. 90 %) bilden jene Migranten, welche weder Asylberechtigte
nach der Genfer Flüchtlingskonvention noch subsidiär
Schutzberechtigte sind, sondern aus rein wirtschaftlichen Gründen
von den gut organisierten Schlepperorganisationen nach Europa
geschleust werden.
Diese illegalen Migranten
haben kein Recht auf subsidiären Schutz und daher auch kein Recht
auf Aufnahme. In der Praxis wird jedoch keine Unterscheidung
getroffen, sie unterliegen demselben Verfahren wie Asylberechtigte
und internationalen Schutzberechtigte, da es derzeit keine effiziente
Möglichkeit der Kontrolle gibt, um die illegale Einwanderung von
Wirtschaftsflüchtlingen zu verhindern. In der Praxis wird
auch deren Rückführung nicht durchgeführt, weil entweder der
Herkunftsstaat nicht bekannt ist, der Herkunftsstaat die
Rückübernahme ablehnt oder weil einfach so viel Zeit verstreicht,
dass ein Aufenthaltstitel insbesondere durch Eheschließung oder
durch Arbeitsaufnahme erworben wurde.
-Wiener
Memorandum 2015 Seite 4-
- ERFORDERLICHE MASSNAHMEN
Die aus dem Jahre 1951
stammende Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge hatte
nach dem 2. Weltkrieg den Schutz der aus den kommunistischen Ländern
geflüchteten und vertriebenen Personen zum Ziel. Sie war bereits
1990 überholt und ist zur Gänze aufzukündigen oder einer
Revision gemäß Art. 45 der Konvention zu unterziehen und den
geänderten geopolitischen Gegebenheiten anzupassen.
Die heutigen Opfer
politischer Verfolgung flüchten zumeist vor islamischem Terror sowie
Gewalt in Afrika und Asien. Eine geographische Beschränkung des
Geltungsbereiches nach Kontinenten erscheint daher dringend
geboten, wie es die Flüchtlingskonvention 1951 bereits vorgesehen
hatte, als die vertragsschließenden Staaten den Geltungsbereich
wählen konnten (Europa oder „Europa und anderswo“). Es gibt auf
jedem Kontinent sicheren Schutz bietende Staaten und liegt die
kontinentale Einschränkung auch im Interesse der Flüchtlinge, weil
die Flucht mit weniger Risiken verbunden ist und innerhalb des
gleichen Kulturkreises auch eine bessere Integration erfolgen kann.
- Abschluss einer Internationalen Konvention zur Regelung des
Internationalen Schutzes von Kriegsflüchtlingen
Es ist unhaltbar, dass
mangels völkerrechtlicher Vereinbarung lediglich die Mitgliedstaaten
der Europäischen Union (ausgenommen das Vereinigte Königreich,
Irland und Dänemark) verpflichtet sein sollen, Migranten aus
kriegerischen Konfliktzonen aufzunehmen. Der Abschluss einer
völkerrechtlich verbindlichen Konvention im Rahmen der Vereinten
Nationen zur Regelung des Schutzes von Opfern von Kriegen,
Aggressionen und schwerer Verbrechen gegen die Menschlichkeit
erscheint unabdingbar. Diesen Personen ist temporärer subsidiärer
Schutz zu gewähren, und zwar bei Vorliegen folgender
Voraussetzungen:
- Vorliegen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes in Form eines Krieges oder Bürgerkrieges
- Bedrohung durch einen solchen bewaffneten Konflikt
- Angriffshandlungen wie sie im Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofes in Bezug auf das Verbrechen der Aggression definiert sind.
- Fluchtalternative
In keinem Fall besteht
ein Recht auf Gewährung von Schutz, wenn eine innerstaatliche
Fluchtalternative gegeben oder eine Antragstellung in einem
sicheren Drittstaat möglich und zumutbar war. Die
Antragstellung hat jedenfalls auf dem eigenen Kontinent zu
erfolgen. Eine kontinentübergreifenden Maßnahme bzw. Gewährung von
Schutz kann auf freiwilliger Basis erfolgen, etwa für verfolgte
Christen, denen eine Antragstellung in einem islamischen Staat nicht
möglich oder nicht zumutbar ist. Für diese tatsächlich
schutzbedürftigen Personen ist in Europa derzeit leider kein Platz,
weil dieser mit illegalen Einwanderern besetzt ist.
-Wiener
Memorandum 2015 Seite 5-
- Rückführung und Sicherung der Außengrenzen
Die effiziente Sicherung
der Außengrenzen Europas, wie dies bereits in den USA und Australien
geschieht, ist derzeit die vordringlichste Maßnahme. Personen,
denen weder der Status eines Asylberechtigten noch eines subsidiär
Schutzberechtigten zukommt, sind bereits an den Grenzen abzuweisen.
Dies gilt analog für Personen, die eine innerstaatliche
Fluchtalternative oder Schutz in einem sicheren Drittstaat
nicht in Anspruch genommen haben.
Kontrollen haben auch
außerhalb Europas stattzufinden und sind zu diesem Zweck
Aufnahmezentren in Afrika und Asien einzurichten, welche einer
europäischen Kontrolle, einschließlich einer militärischen
Kontrolle, zu unterliegen haben.
Die zur Sicherung der
Außengrenzen vorgesehene Agentur Frontex ist personell und
finanziell so auszustatten, dass sie in der Lage ist ihre Aufgaben zu
erfüllen. In gleicher Weise sind die Staaten zu unterstützen, um
ihnen die Erfüllung ihrer im Prümer Vertrag vom 27.5.2005
übernommenen Verpflichtungen zur Bekämpfung der illegalen Migration
zu ermöglichen.
- Bekämpfung der Schlepperorganisationen
Wiewohl man die Zentren
der Schlepperorganisationen kennt, wird deren weltweites Netz, dessen
Einnahmen jene des Drogenhandels übersteigen, nicht zerschlagen.
Dies sollte das wichtigste Ziel sein. Eine geographische
Einschränkung des Schutzes auf den eigenen Kontinent würde den
Versprechungen der Schlepper den Boden entziehen und Europa als Ziel
ausschalten. Die finanzielle Ausnützung und Überredung zur Aufgabe
der Lebensgrundlagen in der Heimat für eine ungewisse Zukunft ist
das eigentliche Verbrechen an den Migranten.
- Rechtsgutachten und Einschaltung des Internationalen Strafgerichtshofes
In Fällen von
Massenauswanderungen ist ein Gutachten der Vereinten Nationen bzw.
des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag einzuholen, um die
Ursachen des Konfliktes und allenfalls die Verantwortlichen
festzustellen. Für den Fall einer solchen Feststellung ist der
Internationale Strafgerichtshof zur Überprüfung der Strafbarkeit
eines Verbrechens gemäß Artikel 5 des Römischen Statuts des
Internationalen Strafgerichtshofes einzuschalten.
- Präventive Maßnahmen vor Ort
Migrationsbewegungen
können nachhaltig nur durch Beseitigung der Ursachen verhindert
werden. Präventive Maßnahmen vor Ort sind dringend notwendig. Siehe
in der Beilage: Artikel von Prof. DI Dr. Heinrich Wohlmeyer „Warum
nicht Asylpolitik an den Wurzeln?“
Wien, im Juli 2015
Für den Wiener
Akademiker Kreis:
Dr. Eva
Maria Barki, Rechtsanwalt
Prof.
Dr. Emanuel Aydin, Chorepiskopos der Syrisch-Orthodoxen Christen in
Österreich
András
Pajor, Kath. Seelsorger, Präsident der Christlichen Kulturellen
Akademie, Budapest
ERGÄNZUNG
DES
WIENER
MEMORANDUMS 2015
NEUERLICHER
AUFRUF ZUR LÖSUNG DES WELTWEITEN ASYL- UND MIGRATIONSPROBLEMS
UND DES
SYRIENKONFLIKTS UNTER
EINHALTUNG
DES INTERNATIONALEN RECHTS
I.
Im Wiener
Memorandum 2015 haben wir auf die Einhaltung der Genfer Konvention
über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.7.1951 und darauf
verwiesen, dass nicht nur Wirtschaftsmigranten, sondern auch
Kriegsflüchtlinge nicht unter den Schutz dieser Konvention fallen.
Wir haben
daher eine internationale Regelung der
Rechtsstellung von Internationalen Schutz Suchenden
vor Krieg, Bürgerkrieg, bewaffneten Konflikten und Aggression
dringend angeregt.
II.
Derzeit
werden Migranten von Schlepperorganisationen konzertiert nach Europa
geschleust und wird damit auch in den Zielländern die Gefahr für
Instabilität, Bürgerkrieg und Aggression geschaffen.
Wie wir im
Wiener Memorandum 2015 ausgeführt haben, ist es neben der Bekämpfung
der Schlepperkriminalität daher dringend notwendig, die Aufnahme von
Asylwerbern und Internationalen Schutz Suchenden nach folgenden
Kriterien zu regeln:
- Fluchtalternative im eigenen Land
- Aufnahme in benachbarten Ländern, jedenfalls aber
- Aufnahme auf dem eigenen Kontinent, um die Schwierigkeit der Anpassung an eine fremde Kultur zu vermeiden und die Rückkehr in das Herkunftsland zu erleichtern
- Beachtung des Verursacherprinzips und Einforderung der vollen Verantwortung jener Staaten und Akteure, deren völkerrechtswidrige Aktionen die Fluchtbewegungen verursacht oder verstärkt haben.
III.
Syrienkonflikt
Ein
beachtlicher Teil der Migranten flüchtet vor dem Terror des sich
gefährlich ausbreitenden Islamischen Staates (IS) in Syrien und dem
Irak. Notwendig ist daher die Ausschaltung der IS Aggression und
Wiederherstellung der staatlichen Ordnung in Syrien.
Beides hat
auf der Grundlage des internationalen Rechts, insbesondere der Charta
der Vereinten Nationen, der beiden UN-Menschenrechtspakte vom
16.12.1966 und der einschlägigen UN Resolutionen zu erfolgen.
Mit Bedauern
stellen wir fest, dass gerade jene westlichen Staaten, welche die
Einhaltung der Menschenrechte immer betonen, in Missachtung des
internationalen Rechts einer friedlichen Lösung entgegenstehen.
Wir erlauben
uns daher die einzuhaltenden Rechte in Erinnerung zu rufen und
einzumahnen:
Staatensouveränität:
- Militärische Hilfe gegen den IS und militärische Unterstützung für illegale Strukturen ohne Einverständnis der legitimen Regierung Syriens verstößt gegen die in der UN- Charta in Kapitel I Artikel 1 genannten Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen sowie insbesondere gegen Artikel 2 Zif. 1 (Grundsatz der Gleichheit der Staaten) und Zif. 4 (Gewaltverbot, Achtung der politischen Unabhängigkeit).
- Maßnahmen ohne Zustimmung der Regierung Syriens bedürfen der im Kapitel VII der UN-Charta normierten Feststellungen und Beschlüsse des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Alle militärischen Maßnahmen ohne Zustimmung des Sicherheitsrates und ohne Zustimmung der syrischen Regierung sind völkerrechtswidrig.
- Das Recht auf Selbstverteidigung steht gem. Artikel 51 der UN-Charta ausschließlich der syrischen Regierung zu, nicht jedoch jenen Staaten, die sich zur Rechtfertigung für ihr eigenmächtiges Eingreifen auf den Schutz ihrer nationalen Sicherheit berufen.
Selbstbestimmungsrecht
der Völker:
- Die Überlegungen einzelner Politiker, ob der demokratisch gewählte Staatspräsident Syriens in eine „Friedensregelung eingebunden“ werden soll und ob mit ihm überhaupt geredet werden soll, sowie eine Friedenskonferenz, in der die Großmächte über das Schicksal Syriens entscheiden, widersprechen dem Selbstbestimmungsrecht der Völker.
- Das Selbstbestimmungsrecht der Völker ist das völkerrechtliche Höchstprinzip und der fundamentalste Grundsatz des Völkerrechtes. Es ist in Artikel 1 Zif. 2 und Artikel 55 der UN-Charta normiert, insbesondere aber auf Grund der Artikal 1 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 16.12.1966 (UN Menschenrechtspakt I) und Artikel 1 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte vom 16.12.1966 (UN-Menschenrechtspakt II), nicht nur gesatztes Völkerrecht, sondern zwingendes Recht (ius cogens).
Darüber
hinaus ist das Selbstbestimmungsrecht als Völkergewohnheitsrecht in
zahlreichen UN-Resolutionen und Gutachten des Internationalen
Gerichtshofes anerkannt (IGH, Westsahara/Marokko, ICJ-Rep.1975 12/31
ff, Kosovo-Gutachten)
- Dieses Recht besagt, dass jedes Volk frei über seinen politischen Status entscheiden und in Freiheit seine wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung gestalten kann. Gegen das Selbstbestimmungsrecht gerichtete Verträge sind gemäß Artikel 53, 64 der Wiener Vertragsrechtskonvention nichtig.
Schlussfolgerung:
Friedensdialog unter Ausschluss aller raumfremden Mächte mit
geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen
Die
Entscheidung, wer in Syrien Staatspräsident ist, obliegt
ausschließlich dem syrischen Volk. Über die Zukunft Syriens haben
weder die Großmächte noch Nachbarstaaten, noch sonstige raumfremde
Akteure zu entscheiden, sondern ausschließlich das syrische Volk auf
Grund des ihm zustehenden Selbstbestimmungsrechtes. Die derzeit im
Vordergrund stehenden geopolitischen Interessen dienen nicht dem
syrischen Volk und sind kein Garant für Frieden.
Zur
Wiederherstellung von Recht und Ordnung und innerstaatlichem Frieden
sollten daher als erste Stufe Gespräche der
Regierung Syriens mit den Vertretern der Opposition, sowie den
Vertretern aller Volksgruppen und aller Religionen im Rahmen eines
Friedensdialogs
geführt werden. Dieser Friedensdialog sollte unter Vermittlung mit
Hilfe eines Staates erfolgen, der weder geopolitische noch
wirtschaftliche Interessen an Syrien hat und das Vertrauen aller
Gruppen genießt. Die beiden Friedenskonferenzen in Genf sind eben
deshalb gescheitert, weil sie von geopolitischen Interessen und
unrealistischen Vorbedingungen geleitet waren.
Ein Friede,
der auf Verweigerung des Selbstbestimmungsrechtes beruht ist kein
Friede im völkerrechtlichen Sinn und ist – wie viele historische
Beispiele zeigen – die Ursache von neuen Konflikten.
Es gilt das
Weltfriedenskonzept der Weltorganisation der Vereinten Nationen im
Sinne des Selbstbestimmungsrechtes der Völker zu verwirklichen.
Wien,
29.9.2015
Dr.
Eva Maria Barki, Rechtsanwalt
Prof.
Dr. Emanuel Aydin, Chorepiskopos der Syrisch-Orthodoxen Christen in
Österreich
András
Pajor, Kath. Seelsorger, Präsident der Christlichen Kulturellen
Akademie, Budapest
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